Blended Learning (wörtlich «gemischtes Lernen»), ist ein umfassender Bildungsansatz, bei dem digitale und interaktive Online-Medien mit traditionellen Unterrichtsmethoden sinnvoll kombiniert werden. Dabei bezieht ein Blended Learning-Konzept immer beide Dimensionen – Raum und Zeit – ein, um eine flexible und lernförderliche Lernumgebung zu schaffen, in der auch selbstgesteuertes Lernen gefördert werden kann.
Die räumliche Dimension beim Blended Learning bezieht sich auf die Kombination von physischen (Hörsaal, Seminarraum) und digitalen (Online-)Räumen. Diese Flexibilität kann verschiedenen Lernstilen gerecht werden: Einige Lernende bevorzugen die direkte Interaktion vor Ort mit Lehrpersonen und Kommilitoninnen:innen in einem traditionellen Seminarraum, während andere die Flexibilität digitaler Räume schätzen, in denen sie in aller Ruhe Materialien überprüfen und im eigenen Arbeitstempo ihren Lernaktivitäten nachgehen können.
Gleichzeitig unterstreicht die zeitliche Dimension die Flexibilität im individuellen Zeitmanagement, die Blended Learning bietet. Im Gegensatz zu konventionellen Lernmethoden, bei denen das Lernen synchron erfolgt – alle lernen oder arbeiten zur gleichen Zeit –, enthält Blended Learning idealerweise asynchrone Elemente, die es den Studierenden ermöglichen, individuell zu unterschiedlichen Zeiten zu lernen. Dazu können aufgezeichnete Vorlesungen, Online-Diskussionen oder (terminierte) Aufgaben gehören, die die Studierenden je nach ihrem Zeitplan erledigen können.
Diese zeitliche Flexibilität unterstützt das selbstgesteuerte Lernen und ermöglicht es den Studierenden, ihren Lernfortschritt selbständig zu kontrollieren. Sie können sich mehr Zeit für schwierigere Themen nehmen, einfacheren Stoff schneller durcharbeiten und generell das Lerntempo an ihre Bedürfnisse anpassen. Ausserdem kann diese Flexibilität den persönlichen Zeitplänen und anderen Lebensverpflichtungen der Studierenden besser gerecht werden.
Die blosse Verlagerung von Vorlesungen oder Seminaren ins Internet für synchrone Videokonferenzen macht jedoch noch kein Blended Learning aus. Dies erfolgt oft nur deshalb, um die Raumknappheit zu umgehen, und nicht, um neue Lern- und Lehrformen zu etablieren und die Vorteile von Blended Learning zu nutzen. Wenn die Online-Komponenten synchron sind, bieten sie nicht die Vorteile der zeitlichen Flexibilität. Kritisch könnte man meinen, es ist einfach dasselbe in Grün resp. online. Wenn die Online- und die Präsenzkomponenten nicht so integriert sind, dass sie sich gegenseitig ergänzen und verstärken, wird auch die räumliche Dimension nicht voll ausgeschöpft.
Warum aber kann man simples synchrones Online-Lehre nicht als Blended Learning bezeichnen? Folgende Überlegungen unterstützen dies:
Mangelnde Integration: Die blosse Verlegung von Vorlesungen ins Internet beinhaltet keine durchdachte Integration von Online- und Präsenzveranstaltungen. In der Regel ändert sich der pädagogische Ansatz nicht, die Studierenden sind an den Bildschirm gefesselt – oft den ganzen Tag, auch wenn sich passives Zuhören mit aktiveren (Gruppen-)Sequenzen abwechseln.
Fehlende Kontrolle durch die Studierenden: Blended Learning ermöglicht den Studierenden ein gewisses Mass an Kontrolle über Zeit, Ort, Weg oder Tempo des Lernens. Dies kann durch selbstgesteuerte Online-Module, Wahlmöglichkeiten bei den Aufgaben oder eine flexible Zeitplanung geschehen. Synchrone Online-Vorlesungen hingegen sind starr geplant und bieten diese Art von Flexibilität in der Regel nicht.
Fehlende interaktive Elemente: Blended Learning umfasst häufig interaktive Online-Komponenten wie Diskussionsforen, Selbstlernkontrollen z. B. via Quizfragen und gemeinsame Projekte, die das Lernen vor Ort ergänzen. Diese fehlen in der Regel bei einem Modell, bei dem die Vorlesungen einfach online übertragen werden.
Einseitige Kommunikation: Bei herkömmlichen Vorlesungen, ob vor Ort oder online, herrscht in der Regel die Einwegkommunikation vor: Die Lehrperson doziert, die Studierenden hören zu und notieren, was sie hören. Beim Blended Learning hingegen findet in der Regel eine wechselseitige, technologiegestützte Interaktion statt, die variantenreichere Kommunikation ermöglicht. So fühlen sich Studierende, die sich vor Ort nicht gerne im Plenum melden, bei der schriftlichen Online-Kommunikation wohler, da sie sich Zeit nehmen können, um ihre Voten durchzudenken. Hier kommen persönliche Präferenzen wie auch verschiedene Lernstile zum Zug.
Mangelnde Anpassung an individuelle Bedürfnisse: Ein wichtiger Bestandteil des Blended Learnings ist die Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden durch Technologie. Die einfache Verlagerung von Vorlesungen ins Internet beinhaltet dieses Element nicht.
Bei einer echten Blended-Learning-Umgebung geht es darum, Bildung über verschiedene Medien mit interaktiven Methoden anzubieten, um aktives Lernen zu ermöglichen, welches über die passive Rezeption hinausgeht. Inhalte können auch medial vermittelt werden. Es geht zudem darum, sowohl die räumliche als auch die zeitliche Dimension so zu nutzen, so dass eine flexiblere und studierendenzentriertere Lernerfahrung ermöglicht wird. Synchrone Videokonferenzen sind reine Online-Veranstaltungen und haben mit Blended Learning nur die eine Dimension des Raumes gemein, während die Dimension der Zeit ausgeblendet wird. Von einem Mehrwert kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn beide Dimensionen in Konzeption und Planung der Lerneinheiten einfliessen. Dies bedeutet unter Umständen, dass eine Lehr-/Lernveranstaltung, ein Kurs oder ein Modul vollständig neu gedacht und konzipiert werden muss.